Als auf der E3 2016 Sony in Zusammenarbeit mit Insomniac Games „Spider-Man“ ankündigte waren Comicfans weltweit hellauf begeistert. So dynamisch und so wunderschön wie das Spiel aussah, schien das Ganze eine vom Schicksal bestimmte Verbindung zu sein. Jetzt ist es erschienen und als riesiger Spider-Man-Fan konnte ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, es auf Spinnensinn und Netzdüsen zu testen.

Aus großer Kraft folgt große Verantwortung

„Spider-Man“ basiert zwar auf der Marvel-Comiclizenz, ist jedoch keine Umsetzung einer bestehenden Comic- oder Filmgeschichte. Vielmehr wurde sich hier und da aus verschiedenen Comicstories das Ein oder andere entliehen.

Alles könnte so schön sein für Spider-Man. Endlich kann er den Kingpin hinter Gitter bringen, als New York plötzlich von „Dämonen“, chinesisch sprechenden Maskenträgern in Anzügen, heimgesucht wird. Diese sind nicht nur ziemlich aggressiv, sondern können auch eine Art schwarze Energie erzeugen und verschießen. Als ob das nicht schon genug wäre, verliert Spideys alter Ego Peter Parker auch noch seinen Job im Labor von Dr. Otto Octavius, der in diesem Universum anscheinend nicht, oder noch nicht, zu Doctor Octopus geworden ist. Nicht, dass das Peter davon abhalten würde, ihm tortzdem bei seiner Forschung im Bereich ominöser mechanischer Gliedmaßentransplantate zu helfen.

Im Laufe der Geschichte bekommt ihr es zudem nicht nur mit dem Anführer der Dämonen, Mister Negative, zu tun, sondern auch mit der Bedrohung einer Massenvernichtungswaffe, die in New York gezündet werden soll. Ab und an schlüpft ihr zwischenzeitlich außerdem in die Rolle von Mary Jane, in der ihr euch durch gefährliche Areale schleichen müsst. Oder ihr schleicht als Miles Morales an Wachen vorbei, die ihr per Smartphone-Hacking-App ablenken könnt.

Ach, habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ihr es später auch noch mit ikonischen Spider-Man-Schurken wie dem Schocker, Rhino oder Electro zu tun bekommt?

Hat hier gerade jemand sammeln gesagt?

Neben der Hauptstory gibt es natürlich noch eine Menge andere Dinge in der Stadt zu tun. Beispielsweise hat Spideys alte Flamme Black Cat überall Hinweise versteckt, an Orten von denen aus Sie potentielle Einbruchsziele ausgekundschaftet hat. An diesen sucht ihr per Kamera kleine Katzenfiguren um herauszufinden, was Black Cat plant.

Andernorts möchte ein Obdachloser, dass ihr seine Tauben in der Stadt wieder einsammelt und alte Rucksäcke aus Peters Schulzeit wollen auch gefunden werden. Und Fotos. ihr könnt von so ziemlich jedem wichtigen Gebäude in New York Fotos machen.

ihr seht also, es ist jede Menge zu tun. Für das Erledigen dieser Nebenmissionen bekommt ihr Erfahrungspunkte und teilweise neue Anzüge.

Abseits dieser speziellen Anzüge bekommt ihr im Laufe der Geschichte immer wieder neue Kostüme freigeschaltet, die allesamt an bekannte Zwirne des Spinnenmannes aus den Comics oder Filmen angelehnt sind. Diese müssen allerdings erst mit sogenannten Tokens gekauft werden. Teils benötigt ihr Tokens, die ihr für das bekämpfen kleinerer Verbrechen bekommt, teils jedoch auch welche, die es für die nervigste Beschäftigung im Spiel gibt, das Bekämpfen von Gegnerhorden in speziellen Lagern. Inhalt dieser Missionen sind große Ansammlungen von Gegnern, die in Wellen auf euch einprasseln. Später werden diese jedoch teils unfassbar schwer, sodass ihr gefühlt gegen 20 Gegner, teilweise schwer bewaffnet, gleichzeitig kämpfen müsst.

Ich schwing hier nur so rum

Was ist das Eine, das bei einem Open-World Spider-Man-Spiel auf jeden Fall stimmen muss? Richtig, das Schwingen. Nichts ist für diesen Charakter so ikonisch, wie das umherschwingen durch New York. Doch wie verhält sich das im aktuellen Spiel? Macht das Schwingen spaß? Das tut es, und wie. Selten habe ich so ein Gefühl von Freiheit, Geschwindigkeit und gleichzeitig Kontrolle bei der Fortbewegung in einem Videospiel erlebt wie in „Spider-Man“. Auch wenn das mit der Kontrolle teilweise nicht ganz so hinhaut. Zu oft springt Spidey von einer Wand ab, anstatt daran hochzuklettern oder bleibt an einer Wand hängen, an der man eigentlich nur vorbeischwingen wollte.

Auch in den Kämpfen machte die Wegfindung mir nicht nur ein Mal das Leben ziemlich schwer. Leider kann das Spiel sich teilweise nicht so richtig entscheiden, welcher Gegner nun gerade automatisch anvisiert wird. Dadurch artet das Ganze teilweise in wildes in der Gegend herum Geschlage aus. Auch bleibt die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft gern mal an Laternen und Ähnlichem hängen oder schwingt ab und an Mal in Hindernisse, denen man eigentlich ausweichen wollte.

I understood that reference

Fanservice wird in „Spider-Man“ großgeschrieben. Immer wieder finden sich Referenzen auf Comics durch die Nennung von Namen, die sonst mit dem Inhalt des Spiels wenig bis nichts zu tun haben oder Anspielungen auf die bisherigen Filmauftritte des Wandkrabblers. So könnt ihr beispielsweise auf Knopfdruck Passanten zuwinken oder Ähnliches, wenn ihr an ihnen vorbeigeht. Ab und an packt Spidey dabei seine berüchtigten Fingerguns aus, wie es schon Tobey Maguire im unsäglichen Spider-Man 3 tat.

Abseits davon gibt es noch zahlreiche weitere Anspielungen, die sich teils einfach nur auf zu fotografierende Sehenswürdigkeiten beschränken, die ich an dieser Stelle jedoch nicht spoilern will.

„Spider-Man? Das ist doch dieser Comic für Kinder, lass mal ab 12 machen“

So oder so ähnlich muss die Diskussion über die USK-Freigabe von „Spider-Man“ ausgesehen haben. Die Freigabe ab 12 Jahren ist mir jedoch komplett unbegreiflich.

Das Spiel behandelt sehr viele komplexe und ernsthafte Themen wie Verlust, Mord, Rache, Selbstmordattentate und Massenvernichtungswaffen. So gibt es beispielsweise eine Szene im Spiel, in der jemand dazu gezwungen wird, sich in den Kopf zu schießen. Man sieht es zwar nicht direkt, aber naja, in einem Spiel ab 12 hat sowas meiner Meinung nach trotzdem nichts zu suchen. Auch die Charaktere und die Story an sich sind so komplex gezeichnet, dass es ein zwölfjähriges Kind kaum erfassen könnte.

Wenn ich daran denke, wenn meine zwölfjährige Schwester „Spider-Man“ spielen würde, weiß ich, dass sie nicht nur von der Geschichte, sondern auch schon allein vom komplexen Gameplay heillos überfordert wäre.

Fazit – Spider-Man

Selten habe ich mich so auf ein Spiel, abseits der Yakuza-Reihe, gefreut, wie auf „Spider-Man“. Das letzte mal war Horizon Zero Dawn, und…naja, was daraus geworden ist, könnt ihr in meiner Review selbst nachlesen. Anders als das optische Fest mit den langweiligen Robodinos, hat „Spider-Man“ mich jedoch vollends überzeugt und in seinen Bann gezogen. Oder sollte ich lieber sagen, in seinem Netz gefangen?

Die Geschichte ist so komplex und vor allem erwachsen, wie ich es nie von einem Superheldenspiel erwartet hätte. Die Charaktere sind unfassbar menschlich geschrieben und auch die Bösewichte sind nicht nur einfache Abziehbilder, die böse sind um böse zu sein.

Abseits von kleinen Makeln ist das Gameplay rund und motiviert extrem. Zudem sieht das Spiel einfach unfassbar schön aus.

Ich freue mich jetzt schon wie ein Schnitzel auf die bereits angekündigten drei DLC-Pakete, die neben neuen Kostümen und Herausforderungen jeweils noch mehr Story erzählen sollen.

Seid ihr also Spider-Man Fans oder habt allgemein mal wieder Lust auf ein etwas anderes Open-World-Spiel mit toller Geschichte und motivierendem, spaßigem Gameplay oder habt einfach Fernweh nach New York, dann werft definitiv einmal einen Blick in Richtung „Spider-Man“.

Bildquelle(n): Sony/Insomniac Games