Der Art-Style von Takehito Harada ist unverkennbar: Sieht man die Charaktere des “Disgaea”-Zeichners, weiß man gleich, dass man auf ein neues Werk aus dem Hause Nippon Ichi blickt. Nachdem die Japaner sich längst als SRPG-Spezialisten etabliert haben, wollen sie mit Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk einmal mehr ihre Experimentierfreude unter Beweis stellen. Dafür wagen sie sich an einen Dungeon Crawler vom Schlage eines “Etrian Odyssey” oder “Wizardry” - und machen dabei gar keine schlechte Figur.

Die Story wird in animierten Standbildern erzählt

Was ist verkehrt in der Stadt Refrain?

Das Städtchen Refrain mag auf den ersten Blick zwar idyllisch und unscheinbar wirken, doch beherbergt es ein Geheimnis: In der Mitte prangt ein Brunnen, so unscheinbar wie seine Stadt, doch führt dieser endlos tief in verschlungene Höhlen und Kerker. Schon viele haben in der Hoffnung auf versteckte Reichtümer versucht, das Gemäuer zu erforschen - nur um nie wieder gesehen zu werden. Eine dichte Wolke giftiges Miasma macht es unmöglich, den geheimnisvollen Ort zu erkunden, ohne innerhalb weniger Stunden elendig zu verenden – oder von der heimischen Monsterbrut gefressen zu werden. Die Hexe Dronya macht es sich im Auftrag des Bürgermeisters zur Aufgabe, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, aber das nicht, ohne dabei eigene Ziele zu verfolgen.

Es ist jedoch nicht nur der Dungeon, der in Refrain im Argen liegt. Wer nachts durch die Straßen zieht, läuft in Gefahr, von Zombies in den Tod gezerrt zu werden. An einem jeden Morgen verkünden Soldaten die Toten der vergangenen Nacht. Die Bewohner Refrains verhalten sich auffällig, irgendetwas scheint man zu verheimlichen.

Anfangs stehen sechs verschiedene Klassen - Facets genannt- zur Auswahl

Eine Marionette sollst du sein

Oberste Priorität liegt jedoch im Erkunden des Dungeons. Dronya selbst kann den zwar ebenfalls nicht betreten, beschwört aber seelenlose Marionettensoldaten, um dem Miasma zu trotzen. Zu Beginn des Spiels können diese Puppen sechs verschiedener Klassen angehören, im weiteren Spielverlauf eröffnen sich uns zusätzliche Jobs. Bei der Charaktererstellung wählen wir nicht nur Klasse und Geschlecht, sondern entscheiden auch über eine Reihe weiterer Parameter. Das Temperament der Puppen modifiziert die Verteilung der Werte, außerdem entscheiden wir über deren Entwicklung: Gehen wir auf Nummer sicher und wählen die normale Variante? Entscheiden wir uns für einen flachen Verlauf, bei dem Schwächen aber auch Stärken weniger ausgeprägt sind? Wenn wir in riskanter Laune sind, fällt die Wahl auf "Spitz" – große Stärken mit umso stärker ausgeprägten Schwächen. Zudem können wir jede Marionette mit einem Skill ausstatten und uns entscheiden, ob sie eher defensiv oder offensiv aufgestellt sein soll.

Die so erstellten Charaktere werden aber nicht solo in die Party gepackt, sondern als Teil sogenannter Covens. Jedes Coven besteht dabei aus mehreren, als Einheit agierenden Puppen. Insgesamt können bis zu 5 Covens gleichzeitig im Kampf teilnehmen und schnell finden wir welche, die drei Charakteren gleichzeitig Platz bieten – somit kommen wir auf die stolze Anzahl von bis zu 15 kämpfenden Recken. Aber das ist noch nicht genug: Einige Covens können auch Support-Marionetten aufnehmen, die zwar nicht aktiv im Gefecht mitmischen, aber nützliche Boni verteilen.

Man merkt: Die “Disgaea”-Entwickler blieben sich selbst treu und stülpten Mechanik über Mechanik über Mechanik. Wirken die ersten Tutorials noch maximal überfordernd, eröffnen sich die Feinheiten im Dungeon behutsam. Schnell geht das Gameplay in Fleisch und Blut über. Schattenseiten gibt es aber trotzdem: So beginnt jede neue Puppe bei Level 1, was ziemlich viel Grind mit sich bringt, möchte man einmal die Party auf den Kopf stellen.

Ressourcenmanagement

Das Leben als Dungeon-Erkunder ist nicht leicht. Glücklicherweise machen Reinforcement Points das Leben leichter - oder je nach Perspektive noch schwerer. Denn wer tiefer und tiefer in den Dungeon hineindringt, wird nicht drumherum kommen, stets auf diesen RF-Pool zu achten. Wir starten mit 100 Punkten, davon müssen wir aber zunächst unsere Covens bezahlen. Im Dungeon angekommen, gibt es dann ein Sammelsurium an Aktionen, die an unserem Reinforcement-Pool zehren. Heilen außerhalb von Kämpfen? Macht fünf RF pro Charakter. Eine im Kampf gefallene Puppe wiederbeleben? Das schlägt mit zehn RF zu Buche. Spezielle Aktionen, wie Wände nieder zu reißen (fünf RF) oder Teleporter zu setzen (15 RF), nagen ebenfalls an unseren Reinforcements Points. Im Kampf können wir uns defensive und offensive Boni erkaufen, die wir aber zu fürstlichen Konditionen bezahlen müssen. Sich kopflos in den Dungeon zu stürzen, ist daher selten von Erfolg gekrönt – wir müssen Verstand beweisen, sorgfältig mit unseren begrenzten Ressourcen umgehen und uns entscheiden, wann wir besser Richtung Sicherheit fliehen sollten. Sollte die Party trotzdem keinen sicheren Ausweg finden, gibt es zwar keinen Game-Over-Bildschirm, aber wir werden mit Verlust an Mana und Items bestraft. Außerdem müssen zerstörte Puppen gegen viel Geld repariert werden – das zehrt schnell an der Portokasse.

Schön gezeichnete Monster zeichnen Labyrinth of Refrain aus

Verwinkelte Kerker

Das Dungeon-Design ist gut gelungen. Die verschiedenen Ebenen sind verzwickt in ihrem Aufbau, aber nicht so verzwickt, als dass sie verwirren und frustrieren würden. Dank interaktiver Elemente, wie der bereits beschriebenen Möglichkeit Wände einzureißen, wird das Erforschen nicht zu eintönig. Anders als in Genrekollegen wie “Etrian Odyssey” streifen in Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk übrigens sämtliche Monster sichtbar durch die Gänge und nicht nur Bossgegner.

Sieht der Dungeon trotz der kargen Präsentation zunächst in etwa so aus, wie man sich ein Gemäuer, das unter einem Brunnen versteckt liegt, vorstellt, nimmt das Setting im Spielverlauf völlig andere Gestalten an. So durchforsten wir zum Beispiel ein Dorf, das von Winzlingen bewohnt wird und in welchem wir unter den Hilfeschreien der Bewohner Godzilla-mäßig hindurchstampfen.

In solchen und ähnlichen Situationen ist Labyrinth of Refrain ganz schön "edgy": Kaum ein Charakter ist besonders sympathisch, besonders Dronya behandelt sämtliche Mitmenschen wie Dreck, sie wird innerhalb der ersten Spielstunden das Opfer einer Nonne, die sich versucht, ihr sexuell aufzudrängen, und so weiter. Man muss Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk zu Gute halten, dass es hierbei - anders als viele Genrekollegen aus Fernost - nicht etwa auf kindische Art und Weise versucht, sexy zu sein, sondern vielmehr sein Bestes gibt, um mit diesen Elementen eine erwachsene Geschichte zu erzählen. Es wirkt jedoch stets zu dick aufgetragen und verfehlt damit trotz interessanter Ansätze etwas sein Ziel.

Fazit – Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk

Zwischen Atlus’ niemals-endender “Etrian Odyssey” und einzigartigen Titeln aus dem “Stranger of Sword City”-Haus Experience, kamen wir in den vergangenen Jahren immer wieder in den Genuss qualitativ hochwertiger DRPGs aus Fernost. Schon dank seines guten Dungeon-Designs und seiner interessanten, wenn auch dick aufgetragenen Story wäre Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk bereits einen Blick wert – es ist jedoch das gut durchdachte und einzigartige Puppen-System womit sich “Labyrinth of Refrain” trotz einiger Makel zu den besseren Vertretern seines Genres gesellt.

Labyrinth of Refrain: Coven of Dusk ist seit dem 21. September für Nintendo Switch, PlayStation 4 und PC erhältlich.

Bildquelle: NIS America