Fire Emblem: Three Houses macht sich auf, den Popularitäts-Höhenflug der Fire Emblem-Reihe ungebremst fortzusetzen - indem es alte und neue Fans miteinander versöhnt, indem es zugleich ganz anders ist als gewohnt, sich dabei aber trotzdem auf moderne und traditionelle Tugenden beruft.

Auf zu neuen Rekorden

Wie oft kommt es vor, dass ein Videospiel-Franchise nach geschlagenen 30 Jahren ihren Durchbruch findet? Als Pionier des Strategie-Rollenspiel-Genres verzeichnete Fire Emblem seit den 80er-Jahren zufriedenstellende, aber stets unspektakuläre Verkaufszahlen. Als die Reihe tatsächlich kurz vor ihrem Ende stand, wurde alles anders. Fire Emblem Awakening durchbrach als erster Ableger der Reihe nicht nur die Marke von 1 Million verkauften Einheiten, sondern legte die zweite Million gleich noch oben drauf. Der Nachfolger Fire Emblem Fates konnte diesen Erfolg gar noch steigern. Doch im Fire Emblem-Land war längst nicht ein jeder glücklich: Während das Königreich der Neu-für-sich-Entdecker erblühte, wurde die Fraktion der Veteranen tendenziell unglücklicher.

Woran liegt’s? Am Vorwurf, dass knallharte SRPG-Gemützel und politisch angehauchte Storys zunehmend von Verkupplungen, Waifus und Kinderkriegen dominiert werde. Mit der Nintendo Switch-Premiere Fire Emblem: Three Houses folgt man diesen Ansatz konsequent weiter - so scheint es zumindest. Schließlich heuern wir dieses Mal als Professor an einer Hogwarts-ähnlichen Akademie an und kümmern uns gleich um eine ganze Klasse an Schülern. Das kann doch nur weichgekocht sein. Tatsächlich schafft Fire Emblem: Three Houses jedoch ein Kunststück: Es weiß die beiden Zielgruppen zu versöhnen.

Auch Soldaten müssen zur Schule

Im wortwörtlichen Mittelpunkt von Fire Emblem: Three Houses steht das Kloster Garreg Mach. Hier hat nicht nur die Kirche von Seiros ihren Sitz, sondern auch die elitäre Militärakademie des Kontinents Fodlan. Die Eliten des Kontinents um die drei Länder des Adrestianischen Kaiserreichs, des heiligen Königsreich Faerghus und der Allianz von Leicester werden hier ausgebildet. Das kommt nicht von ungefähr, schließlich ist das Kloster die natürliche Grenze zwischen den drei Ländern - und bildet so neutralen Boden in einem Wirrwarr des Friedens, der zwar von allen Parteien erwünscht, aber seit jeher äußerst fragiler Natur ist.

In der Haut von Byleth, einer jungen aber sehr erfahrenen Söldnerin (oder je nach Vorliebe Söldner), finden wir uns aufgrund eines Wink des Schicksals als neue Professorin dieser Schule wieder. Uns wird die ehrenhafte Aufgabe zuteil, eines der drei großen Häuser unter unsere Fittiche zu nehmen - und als Lehrerin nicht nur die Lernziele unserer Schüler abzustecken, sondern uns auch um ihr Seelenwohl zu kümmern.

Das Schulsetting ist hierbei nicht nur Makulatur. Wir entscheiden über die Lernziele unserer Schützlinge und damit über ihre zukünftige Ausrichtung. Wir instruieren ihnen individuell wöchentlich neue Schwerpunkte, um Fertigkeiten mit Waffen wie Schwert oder Axt zu trainieren, den Umgang mit weißer und dunkler Magie zu lehren oder zu zeigen, was es heißt, eine Autorität zu sein. Die aufkeimenden Wünsche - “Ich möchte mich ganz auf Lanzen konzentrieren. um ein Kavalier zu werden!” - können wir dabei befolgen oder schlichtweg ignorieren.

Natürlich gehört zum Lehrerinnendasein mehr als nur den Lernerfolg unserer Schüler sicherzustellen. Am Wochenende schlendern wir daher über den Campus, hören uns Sorgen und Nöte an, lösen kleine Sidequests, laden zu Trunk und Fraß oder zu einer gediegenen Tee-Zeremonie ein. So können wir Sympathien sammeln, die unsere Beziehungen zu den Schülern, sowie die Beziehung der Schüler untereinander, verbessern.

Denn die Support-Konversationen - seit jeher ein Markenzeichen der Fire Emblem-Reihe - kehren natürlich auch in Fire Emblem: Three Houses zurück. Egal, ob in entspannter Atmosphäre in der Akademie oder auf dem Schlachtfeld im Kampf auf Leben und Tod: Wer zusammen agiert, versteht sich besser. Dies schaltet neue Gespräche frei, in denen die Charaktere untereinander immer mehr von ihrer Geschichte preisgeben. Das können mal triviale Albernheiten sein, doch allzu oft kommen dabei auch ausgemachte Konflikte, dunkle Geheimnisse oder tragische Schicksale zum Vorschein. Dass Fire Emblem: Three Houses anders als seine beiden Vorgänger das Heiraten und Kinderkriegen nicht zum Gameplay-Element macht, hat der Qualität der Support-Konversationen äußerst geholfen. Weniger Romantik, mehr Spannung.

Frenemies

Apropos Story: Auch die ist mehr als sie auf dem ersten Blick zu sein scheint. Denn wenngleich der erste Abschnitt des Spiels in scheinbarer Harmonie spielt, werden schnell die feinen Risse sichtbar, die sich durch das Land ziehen. Es lässt nicht allzu lange auf sich warten bis sich diese Risse zu riesigen Gräben entwickeln - und einstige Schulfreunde sich im erbitterten Krieg der drei Häuser wiederfinden. Erzählten sowohl Fire Emblem Fates und Fire Emblem Awakening zwei simple Geschichten, die von klarem Schwarz-Weiß-Denken geprägt waren, kehrt Three Houses in der zweiten Spielhälfte zu einer politischen Storyline mit allerhand Nuancen und Twists zurück.

Von nun an teilt sich auch die Narrative in drei Teile auf: Beeinflusst eure Haus-Wahl in der ersten Hälfte den Spielablauf nur begrenzt, besitzt jede Fraktion in der zweiten Hälfte eine eigenständige Kampagne. Wer alle Geschichten und alle Details des Konflikts erfahren will, muss mehrere Durchgänge wagen. Für Komplettionisten ist Fire Emblem: Three Houses eine Erfahrung, die schnell an der 100 Stunden-Marke kratzt.

Auf in die Schlacht

Der Zeitablauf des Spiels ist in Kapitel unterteilt, welches jeweils einen Spiel-Monat umfassen. Montags instruieren wir unsere Schüler darüber, welchen Skill sie in dieser Woche verbessern sollen, samstags erkunden wir wahlweise das Kloster oder lösen mit Waffengewalt optionale Missionen und Nebengeschichten. Am Ende eines jeden Monats steht dann die große Story-Mission an: Zeit fürs Schlachtfeld.

Wenngleich die größten neuen Features außerhalb der klassischen Missionen auf uns warten, kommt in Fire Emblem: Three Houses das bekannte SRPG-Gameplay nicht zu kurz. Auf den ersten Blick ist dabei alles wie eh und je: Wir ziehen mit unseren Einheiten rundenbasiert über ein Schachbrett-artiges Schlachtfeld. Wir bekämpfen Gegner mit Äxten und Schwertern, Bogen und Lanzen oder auch mal schwarzer Magie.

Auf den zweiten Blick eröffnen sich jedoch einige Neuerungen und Veränderungen. So ist das klassische Waffen-Dreieck, das Stärke und Schwäche eines Waffentyps bestimmte, verschwunden. Neu hinzugekommen sind hingegen Kampfskills, die allerhand starke Boni bieten, aber zur schnelleren Abnutzung unserer Waffen beitragen. Eine zerstörte Waffe ist aber nicht für immer zerstört: gegen einen beachtlichen Obolus können wir sie beim Schmied reparieren lassen oder in brenzligen Situationen gar mit der bereits zerstörten Waffe weiterkämpfen. Die ist dann aber deutlich schwächer und Attacken zielen häufiger ins Leere.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Aus Fire Emblem Echoes hat man die Möglichkeit übernommen, während einer Mission die Zeit zurückdrehen zu können. Das geht anfangs pro Mission drei Mal und ist ein echter Lebens- und Zeitretter, wenn ein Kapitel droht, in einer Katastrophe zu enden. Damit es gar nicht erst soweit kommt, haben neue Komfort-Features den Weg ins Spiel gefunden. Auf dem Schlachtfeld deuten nun etwa Target Lines noch während unseres Zuges daraufhin, welche unserer Helden die gegnerischen Einheiten in ihrem Zug anzugreifen gedenken. Das ist mehr eine Prognose als eine Garantie - aber verlässlich genug, um deutlich riskantere Manöver zu wagen und dabei unsere Helden in Sicherheit zu wiegen.

Natürlich gibt es auch in Fire Emblem: Three Houses am Spielanfang die mittlerweile obligatorische Frage, ob wir im Klassik- oder Casual-Spielmodus spielen will. Auf Casual können Charaktere, die im Kampf fallen, in der nächsten Mission wieder eingesetzt werden. Im Classic-Modus ist der virtuelle Tod hingegen permanent. Es ist also die Wahl zwischen einem entspannten Spielerlebnis und kochendem Adrenalin in einer Umgebung, in der jeder Zug wohlüberlegt sein will und Suizid-Taktiken keine Optionen sind. Tatsächlich sind die neuen Komfort-Features aber so mächtig, dass wir auch im Classic-Modus schon unbedarft agieren müssen, um tatsächlich in die Bedrängnis zu kommen, einem liebgewonnenen Schüler Lebewohl sagen zu müssen. Der größte Kritikpunkt an Fire Emblem: Three Houses ist nämlich, dass es selbst im höchsten Schwierigkeitsgrad ein ziemlicher Spaziergang ist.

Schöne Klänge treffen auf karge Optik

Mit Three Houses sehen wir erstmals ein Fire Emblem in hochauflösenden Auflösungen - und das Resultat ist eher unterwältigend. Das Kloster ist grobschlächtig und karg, die Schlachtfelder karg und die Framerate überraschend stotterig. Für ein gemächliches rundenbasiertes SRPG ist das kein Beinbruch, aber hier wäre deutlich mehr drin gewesen. Die Texte des Spiels kommen im Handheld-Modus der Switch zudem äußerst klein daher und sind stellenweise schwer lesbar. Der Soundtrack überzeugt dafür wie gewohnt mit epischen Klängen und auch die Cutscenes aus der Feder des Evangelion-Studios Khara sind mitunter eindrucksvoll anzusehen.

Fire Emblem: Three Houses - Fazit

Das bemerkenswerteste an Fire Emblem: Three Houses ist, dass die beiden grundverschiedenen Pfeiler des Gameplays - die Life-Sim-Aspekte in der Schule, die taktischen Gefechte außerhalb - wunderbar harmonieren. Wirkte der im Kern ähnliche “My Castle”-Modus aus Fire Emblem Fates allzu oft wie ein störender Fremdkörper, der unnötig Tempo raubte und sich thematisch unbefriedigend einfügte, ist das Kloster-Gameplay nicht nur geschickt mit der zentralen Narrative verwoben, es erweitert das Gameplay zudem um allerhand clevere neue Möglichkeiten. Der Gameplay-Loop entwickelt hierbei eine unheimliche Sogkraft: Am Ende eines Schulabschnitts freuen wir uns wieder darauf, in eine aufregende Schlacht zu ziehen. Am Ende der Schlacht herrscht Freude über die kommende Entspannung in der Schule, wenn wir uns nur ums Angeln und der Ausbildung unserer Schüler kümmern. Eine Mischung mit echtem Suchtpotenzial. Selbst die Story, die in vergangenen Fire Emblem-Episoden gerne seicht ausfiel, weiß sobald sie einmal in Fahrt kommt mit allerhand Grautönen ans Pad zu fesseln. Es verwundert nicht, warum Fire Emblem: Three Houses schon jetzt von vielen Fans als das beste Fire Emblem in über einem Jahrzehnt gefeiert wird. Schade nur, dass es nicht einen Ticken herausfordernder daherkommt.

Fire Emblem: Three Houses ist am 26. Juli 2019 für die Nintendo Switch erschienen.

Bildquelle: Nintendo