Mit Valkyria Chronicles 4 greift SEGAs SRPG-Reihe endlich wieder nach altem Glanz. Das hat auch ganz schön lange gedauert: Nachdem Teil 1 auf der PS3 vor zehn Jahren Kritiker überzeugte und eine loyale, aber leider überschaubare Fan-Schar um sich versammelte, zog Valkyria Chronicles anschließend Richtung Handheld. PSP-exklusiv konnte Valkyria Chronicles 2 mit den Hardware-geschuldeten Vereinfachungen weniger überzeugen, Teil 3 schaffte dann nicht einmal mehr den Sprung in den Westen. Als letztes Jahr "Valkyria Revolution" erschien, wich erste Begeisterung schnell Enttäuschung: Das Spin-off entpuppte sich als bestenfalls unterdurchschnittliches Action-Rollenspiel. Nun endlich soll alles anders werden. Doch geht der Plan auf?

Verzweiflung und Krieg

Auf dem Kontinent Europa ist der Konflikt zwischen der Atlantic Federation und Imperial Alliance aus den Fugen geraten, der Second European War schlägt erbarmungslos um sich. Als der Kriegsverlauf zu Ungunsten der Federation zu kippen droht, versucht sie mit der Operation Northern Cross das Ruder noch einmal zu wenden und die Hauptstadt des Imperiums einzunehmen, um den Krieg zu beenden. Dafür müssen sich unsere Truppen jedoch durch den kalten Winter schlagen – alles andere als ein einfaches Unterfangen. Parallelen zum Zweiten Weltkrieg sind hierbei natürlich kein Zufall: Wie seine Vorgänger findet Valkyria Chronicles 4 in einer alternativen Realität statt, die an die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts angelehnt ist.

Im Vordergrund steht jedoch nicht nur das politische Geplänkel um Gut, Böse und die Nuancen dazwischen, sondern vor allem auch um die Menschen, die auf dem Schlachtfeld kämpfen, leben, Freundschaften knüpfen – und natürlich auch ihr Leben lassen. Valkyria Chronicles 4 erzählt seine Geschichte aus der Perspektive des Squad E und seines Commanders Claude Wallace, die sich gemeinsam einer fast hoffnungslosen Mission stellen. Die Story ist zwar spannend erzählt und überzeugt mit einem guten Cast an Charakteren, weder die Handlung noch die Figuren können allerdings dem Erstling ganz das Wasser reichen.

Die Geschichte wird wie aus den Vorgängern gewohnt, durch Auszüge aus einem Buch erzählt und von einer zeichnerischen Grafik gekonnt eingefangen. Zugestanden: Im Bereich der Präsentation hat sich im letzten Jahrzehnt bei Valkyria Chronicles nicht viel bewegt, aber der Look wirkt nach wie vor einzigartig und lässt sich gut ansehen.

Rundenstrategie in Echtzeit

Statt das Rad neu zu erfinden, verfeinert Valkyria Chronicles 4 sein nunmehr zehn Jahre altes Fundament. Es gibt sich somit als Strategie-Rollenspiel, das in seinen Missionen rundenbasierte Taktik mit Echtzeit-Action verknüpft. Am Anfang einer jeden Runde sehen wir eine Übersichtskarte des aktuellen Schlachtfelds. Sobald wir hier eine Einheit auswählen, zoomt die Kamera jedoch in eine Third-Person-Perspektive heran. Nun können wir uns frei über das Schlachtfeld bewegen - oder zumindest fast. Denn eine Leiste am unteren Bildschirmrand diktiert uns den Radius, innerhalb dessen wir unseren Charakter bewegen können. Ist die leer, bleiben wir an Ort und Stelle stehen. Es ist also durchdachtes Vorgehen gefragt: In offener Umgebung gestrandet, statt hinter einer Barrikade verschanzt, sind wir leichtes Futter für gegnerische Soldaten. Wir können in jedem Zug zudem eine Aktion ausführen und etwa mit unserem Gewehr auf feindliche Einheiten schießen. Hierbei wird zwar wie in einem Shooter gezielt, am Ende entscheiden Genre-typisch allerdings Wahrscheinlichkeiten über Treffer und Misserfolg.

In jeder Runde steht uns eine gewisse Anzahl an Command Points zur Verfügung, die darüber bestimmen, wie oft wir Einheiten über das Feld bewegen können. Anders als in manch anderem Genre-Vertreter können wir die Command Points auch nutzen, um Einheiten mehrmals innerhalb einer Runde zu bewegen. Das hat jedoch einen Haken: In kurzer Zeit mehrmals ran zu müssen, zehrt an der Ausdauer unserer Soldaten. Mit jedem weiteren Mal, mit dem wir dieselbe Einheit innerhalb einer Runde einsetzen, verringert sich deren Bewegungsradius.

Viele Konsolenfans zeigten sich enttäuscht, als Valkyria Chronicles mit den Episoden 2 und 3 eine neue Heimat auf der PSP fand. Das hatte nicht nur Nachteile für TV-Fans, sondern beeinflusste auch das Gameplay negativ: Auf Sonys Handheld waren nur wesentlich kleinere Schlachtfelder möglich. Die reduzierten die Komplexität und taktische Finesse der Reihe. Valkyria Chronicles 4 ist endlich wieder frei von derlei Restriktionen und bietet Maps, die gar noch interessanter sind als die des Erstlings. Verwinkelte Karten mit allerlei Hindernissen, Gefahren und dutzende gegnerische Soldaten erfordern taktisches Geschick, um am Ende siegreich aus einer Mission hervorzugehen. Das wirkt oft wie ein Rätsel, das es zu lösen gilt: Vorsichtiges Vorgehen und Runden im Voraus zu planen, zahlt sich aus. Zu aggressives Handeln müsst ihr hingegen oft schmerzhaft bezahlen.

Granaten als Wunderwaffe

Sechs verschiedene Charakterklassen sorgen dabei für den notwendigen Tiefgang. Das Repertoire reicht hierbei vom agilen Scout, der mit seiner großen Reichweite Maps schnell erkundet, bis hin zu dick bewaffneten Lancers, die darauf spezialisiert sind, Panzer auszuschalten. Neu hinzugekommen sind die Grenadiere, ihres Zeichens Experten im Umgang mit Granaten und anderen explosiven Wurfwaffen. Sie eröffnen zum Beispiel die Möglichkeit, mit einem Blindwurf zu testen, ob sich hinter einer Häuserfront gegnerische Soldaten verstecken – und mit großer Explosionskraft auf die Nerven zu gehen. Waren früher Alleingänge von Scouts extrem effektiv, wurde dem in Valkyria Chronicles 4 entgegengewirkt. Dafür gibt es nun andere Klassen, die vielleicht etwas zu mächtig wirken.

Unseren Squad stellen wir aus einer großen Auswahl aus potentiellen Soldaten zusammen, die unterschiedliche Stärken, Schwächen und Potentiale bieten. Darüber hinaus wirkt jeder von ihnen wie ein echter Charakter: Unsere Regiment besteht nicht nur aus gesichtslosen Einheiten, sondern aus Charakteren, die uns dank ihrer Eigenarten ans Herz wachsen.

Fazit - Valkyria Chronicles 4

Valkyria Chronicles 4 steht im Zeichen von Feinschliff. Statt das Rad neu zu erfinden oder Altbewährtes zu sehr zu verändern, beschränken sich die Entwickler auf Veränderungen im Detail. Gut so, schließlich haben Experimente der Valkyria-Reihe in der Vergangenheit nicht gut zu Gesicht gestanden. Valkyria Chronicles 4 besinnt sich daher auf seine Wurzeln zurück und bietet die Mischung aus strategiereichem, aber actiongeladenem Gameplay und einer herzlich präsentierten Kriegs-Story, für die Fans die Reihe seit nunmehr zehn Jahren lieben. Gleichzeitig mangelt es Valkyria Chronicles 4 dadurch an Überraschungen: Es fühlt sich einen Hauch zu sicher, zu bekannt an.

Bildquelle: SEGA