Wenn wir euch erzählen, dass The Witcher 3: Wild Hunt ein grandioses Rollenspiel ist, das jeder Genrefan unbedingt gespielt haben sollte, sagen wir euch vermutlich nichts Neues. Wenn wir euch aber erzählen, dass dieses Spiel, das vor über vier Jahren neue Grafikmaßstäbe auf PC, PS4 und Xbox One gesetzt hat, nun auf der deutlich leistungsschwächeren Nintendo Switch spielbar ist....Gut, das werdet ihr vermutlich auch längst wissen. Aber wisst ihr auch, wie gut The Witcher 3 auf der Hybridkonsole funktioniert? Wir haben's ausprobiert und sind zu einem durchaus überraschenden Ergebnis gekommen.

Ein Spiel, so gut, dass es jeder kennen dürfte

Wer heute zum ersten Mal was von The Witcher 3: Wild Hunt liest, hat die vergangenen vier Jahre entweder unter einem Stein gelebt oder interessiert sich gar nicht für Videospiele. Denn selbst diejenigen, die bloß einmal im Jahr ihr FIFA oder Call of Duty kaufen, dürften zumindest am Rand mitbekommen haben, dass 2015 jenes Rollenspiel aus Polen erschienen ist und bei vielen Leuten Eindruck hinterlassen hat. Wir wollen an dieser Stelle auch nicht zu detailliert darauf eingehen, wie fantastisch das Abenteuer in einer düsteren, brutalen Fantasy-Welt auf Basis der Romane von Andrzej Sapkowski ist. Das habt ihr vermutlich schon zuhauf im Netz gelesen oder selbst erlebt, als ihr mit dem namensgebenden Hexer Geralt von Riva durch die Lande gezogen seid, Monster abgeschlachtet und das ein oder andere Schäferstündchen mit attraktiven Frauen abgehalten habt.

Für die weniger Informierten aber hier nochmal eine Kurzzusammenfassung: The Witcher 3: Wild Hunt dreht sich wie seine beiden Vorgänger (die man nicht zwingend gespielt haben muss, um mit Teil 3 seinen Spaß zu haben) um den Hexer Geralt. Der ist – simpel ausgedrückt – ein Monsterjäger, der jedoch aufgrund von Mutationen kein sonderlich hohes Ansehen in der Gesellschaft genießt, die allerdings auf seine Dienste angewiesen ist. Denn in der Welt von The Witcher gibt es sehr viele gefährliche Kreaturen, großteils angelehnt an die slawische Märchen- und Mythenwelt.

Erzählerisch stark, spielerisch gut genug

Im Mittelpunkt der Handlung von The Witcher 3 steht aber nicht das Monsterschnetzeln, sondern die Suche nach Ciri, Geralts Ziehtochter. Die wird von der Wilden Jagd, einer Gruppe von bösen Geistern, verfolgt. Zu großen Teilen ist das Spiel eine Art Schnitzeljagd, weil ihr lange einer Fährte aus etlichen Hinweisen folgt – nur ist die Geschichte von The Witcher 3 dabei durchgehend spannend und vielschichtig. Sie bietet großartig geschriebene Charaktere und Dialoge, überraschende Wendungen, emotionale Momente und ist gut in Szene gesetzt. Dazu kommen hunderte Nebenquests, die die riesige Open World füllen und zwar spielerisch allesamt sehr ähnlich sind, aber fast ausnahmslos spannende, schockierende oder auch lustige Geschichten erzählen.

In Sachen Gameplay steht The Witcher 3: Wild Hunt ebenfalls auf soliden Pfeilern, auch wenn keines der Elemente für sich genommen wirklich herausragend ist. Die actionreichen Kämpfe sind flott, spielen sich eingängig und gewinnen durch diverse Zauber und die Resistenzen sowie Schwächen der unterschiedlichen Monster eine gewisse taktische Tiefe. Zuweilen können sie aber auch in hektisches Hin- und Herhechten ausarten, wenn ihr gegen mehrere Feinde zeitgleich kämpft, was oft der Fall ist. Das Charaktersystem ist zudem der große Schwachpunkt von The Witcher 3. Geralt ist ein stark vordefinierter Charakter und beherrscht von Anfang an alle Zauber, die er im Stande ist auszuführen. Mit Stufenaufstiegen schaltet ihr meistens nur prozentuale Wertsteigerungen für eure Fähigkeiten frei, was nicht sonderlich motivierend ist.

Mission erfüllt

Trotz seiner Macken ist The Witcher 3: Wild Hunt, wie eingangs erwähnt, ein großartiges Action-Rollenspiel, das ihr nun eben auch auf der Nintendo Switch spielen könnt. Die große Frage ist daher, wie die Portierung gelungen ist. Immerhin sieht der Titel auch vier Jahre nach der Erstveröffentlichung auf  PC, PS4 und Xbox One immer noch fantastisch aus und stellt viele jüngere Open-World-Spiele hinsichtlich Detailverliebtheit und Effekten in den Schatten. Wie sollte dieses Grafik-Highlight auf der schwachbrüstigen Switch jemals flüssig spielbar sein, hätten wir uns vor der Ankündigung der Portierung bei dem Gedanken daran gefragt. Doch Entwickler Saber Interactive (CD Projekt RED spielte bei der Produktion keine führende Rolle) hat es zu unserem Erstaunen geschafft.

Ja, die The Witcher 3: Wild Hunt – Complete Edition auf der Switch ist im Vergleich zu den anderen Fassungen deutlich abgespeckt, was die Optik betrifft. Anders wäre es auch gar nicht möglich gewesen, dieses RPG-Epos mit seiner riesigen Spielwelt auf den Mix aus Handheld und Heimkonsole zu portieren. Vor allem die niedrigere Auflösung, die im mobilen Modus deutlich unter 720p liegt, macht sich bemerkbar (auf dem Fernseher schwankt sie zwischen 540p und 720p). Wirklich scharf ist das Bild selten. Das hat aber auch einen Vorteil, so komisch das klingen mag: Unscharfe Texturen und die weniger detailreiche Umgebung im Vergleich zu den anderen Versionen fallen dadurch nicht so sehr ins Gewicht.

The Witcher 3: Wild Hunt sieht auf der Switch grob gesagt so aus, als wenn ihr es auf dem PC mit den niedrigsten Grafikeinstellungen spielen würdet. Das Tolle an dem Spiel ist jedoch, dass es selbst dann immer noch hübsch aussieht. Nicht bahnbrechend, nicht beeindruckend, aber durchaus schick und besser als vieles andere, was ihr so auf der aktuellen Nintendo-Konsole präsentiert bekommt. Die Lichteffekte zum Beispiel sind kaum schlechter als auf den stärkeren Systemen. The Witcher 3 ist eines der schönsten Switch-Spiele. Dazu trägt nicht nur die Technik, sondern auch die Stilistik bei. Das Welt- und Monsterdesign ist einfach nach wie vor Weltklasse und daran können auch ein pixeliges Bild und grobe Texturen hier und da nichts ändern.

Was ein Handheld heute alles kann

Unsere Empfehlung lautet jedoch: Spielt The Witcher 3: Wild Hunt unbedingt im Handheld-Modus! Auf dem kleinen Switch-Bildschirm fällt die niedrige Auflösung eben nicht so sehr ins Gewicht wie auf dem großen Fernseher. Steckt die Konsole im Dock, geht auch die Faszination der Portierung flöten. Dann ist die Complete Edition nicht mehr als eine „hässlichere“ Alternative zur PC-, PS4- und Xbox-One-Fassung. Im Handheld-Modus hingegen ist es total beeindruckend, ein Spiel wie The Witcher 3 zocken zu können. Man denke nur mal daran, wie krass es vor 14 Jahren war, auf einer PSP 3D-Spiele auf mittlerem PS2-Niveau zu spielen. Und jetzt besteht die Möglichkeit, in Bus und Bahn in The Witcher 3, den AAA-RPG-Blockbuster der aktuellen Konsolengeneration, einzutauchen. Das ist krass!

Das Schöne ist auch, dass die Bildrate mitspielt. In den meisten Situationen hält The Witcher 3: Wild Hunt auf der Switch die 30 FPS. Nur in Szenen, in denen wirklich viel auf dem Bildschirm passiert, beispielsweise in der großen Stadt Novigrad, wird es ein bisschen weniger geschmeidig, ohne die Grenze von „angenehm spielbar“ zu „Oh, das stört jetzt aber“ zu überschreiten. Bloß in den Zwischensequenzen gibt es teils deutlich spürbare Ruckler. Dafür hat man die Details in den Dialogszenen nicht so stark reduziert wie im Rest des Spiels, weshalb hier die Charaktermodelle fast ähnlich gut aussehen wie auf den anderen Systemen. Dem Spielspaß schaden diese Bildstotterer jedenfalls nicht.

The Witcher 3: Wild Hunt – Fazit

The Witcher 3: Wild Hunt ist – erlaubt bitte die Wiederholung – ein exzellentes Rollenspiel, auch auf der Nintendo Switch. Für 60 Euro erhaltet ihr ein erzählerisch verdammt starkes Open-World-Epos, bei dem euch allein schon das Hauptspiel locker 100 Stunden fesselt. Da wir es hier mit einer Complete Edition zu tun haben, sind aber auch die beiden großen Erweiterungen „Hearts of Stone“ und „Blood and Wine“ sowie alle kleinen DLCs mit dabei, die den Umfang nochmal stark vergrößern.

Jedoch solltet ihr bedenken, dass das gleiche Inhaltspaket auf den anderen Plattformen teilweise wesentlich günstiger zu haben ist und auf PC, PS4 sowie Xbox One sieht The Witcher 3 eben doch deutlich besser aus. Wer es noch nie gespielt hat, eines der anderen Systeme besitzt und auf den Mobile-Faktor keinen Wert legt, sollte nicht zur Switch-Fassung greifen. Habt ihr aber lediglich die Nintendo-Konsole und auch keinen Gaming-PC oder wollt unterwegs mit Geralt Quests erfüllen (sei es zum ersten oder wiederholten Mal), könnt ihr ohne Bedenken zugreifen. Saber Interactive hat verdammt gute Arbeit geleistet und wir sind gespannt, was für Switch-Portierungen gleichen Kalibers die Zukunft noch bereithalten wird.

Bildquelle: Bandai Namco