Ganze acht Jahre ist es her, dass mit Red Dead Redemption eines der erfolgreichsten, wenn nicht sogar das erfolgreichste Wild West-Spiel aller Zeiten erschien. Nun erschien mit Red Dead Redemption 2 der langersehnte Nachfolger und streicht überall Höchstwertungen ein. Unsere Meinung zum Westernspektakel erfahrt ihr im Folgenden.

We ride together, we die together

Wir schreiben das Jahr 1899, 12 Jahre vor der Geschichte des Vorgängers. Ihr schlüpft in die Rolle von Arthur Morgan, einem Mitglied der berüchtigten Van der Linde Gang. Habt ihr den Vorgänger gespielt, sollte euch dieser Name bekannt vorkommen. War es doch in Red Dead Redemption eure Aufgabe, als John Marston die verbleibenden Mitglieder eben dieser Gang zu beseitigen.

Jetzt, 12 Jahre früher, reitet ihr an Marstons Seite und befindet euch nach einem missglückten Raub auf der Flucht vor dem Gesetz. Um auf dieser Flucht über die Runden zu kommen, begeht ihr immer wieder Raubzüge auf Eisenbahnen, Banken, etc. und führt allerhand Aufträge für andere Gangmitglieder oder Leute aus der Umgebung aus.

Das mag nicht nach einer sonderlich spannenden Geschichte klingen, ist jedoch alles, was euch Red Dead Redemption 2 einen großen teil eurer Spielzeit über bietet. Später entspinnt sich allerdings noch eine recht interessante und spannende Geschichte um Loyalität, Verrat und wachsende Ernüchterung mit dem Leben als Gesetzloser. Diese wirkliche Geschichte kommt zwar leider erst nachdem schon eine ganze Menge Spielzeit vergangen ist, jedoch ist sie dermaßen gut inszeniert, dass sich die Wartezeit bis dahin definitiv lohnt.

Dieses sehr langsame Pacing wurde allerdings absichtlich gewählt. Auf dem Weg zu den dramatischen Wendungen im Laufe der Geschichte werdet ihr im Rahmen der Hauptmissionen immer wieder um relativ triviale Dinge gebeten, wie beispielsweise mit einem anderen Bandenmitglied ein Gebiet auszukundschaften oder in der Stadt einkaufen zu gehen. So banal das klingen mag, so wichtig ist es. Auf dem Weg zu diesen Erledigungen unterhaltet ihr euch nämlich konstanter Weise mit euren Gefährten und lernt diese dadurch besser kennen. So wachsen euch nach und nach die verschiedenen Gangmitglieder richtig an Herz und ihr fühlt euch wie ein waschechtes Mitglied dieser Bande.

Neben den Hauptmissionen findet ihr auf eurem Ritt durch den Westen immer wieder durch Zufall neue Nebenmissionen. Diese erstrecken sich vom Einfangen verloren gegangener Zirkustiere, über die Rettung einer Entführten Frau bis zur Verteidigung eines Fotografen, der es sich in den Kopf gesetzt hat hungrige Wölfe zu fotografieren.

Gestatten, Arthur Morgan. Jäger, Angler, Pokerspieler…

Wie schon im Vorgänger habt ihr auch in Red Dead Redemption 2 neben der Geschichte und den Nebenmissionen einiges zu tun.

So könnt ihr euch auf die Jagd nach verschiedensten Tieren begeben um deren Fell und Fleisch zu verkaufen, Angeln gehen oder in verschiedenen Saloons pokern. Doch Vorsicht, wer nicht darauf achtet, welche Waffe er zum Erlegen eines Tieres benutzt, wird damit bestraft, weniger für den pelz zu bekommen. Aber seien wir mal ehrlich, wer würde auch schon das Gleiche für den Pelz eines Kaninchens bezahlen, das mit einer Schrotflinte erlegt wurde, wie für den eines Kaninchens, das mit einem Pfeil getötet wurde?

Abseits davon könnt ihr im Sheriffbüro einiger Städte Kopfgelder annehmen und Karriere als Kopfgeldjäger machen.

Diese ganzen Nebenbeschäftigungen können dermaßen effektiv von der Geschichte ablenken, dass der über weite Strecken des Spiels vorhandene Mangel an ebendieser, nicht großartig auffällt.

„Was? Ein Spiel mit mehreren Discs im Jahr 2018?“

Als die Downloadgröße von Red Dead Redemption 2 mit über 100 GB bekanntgegeben wurde und, dass die physische Version mit zwei Discs daherkommt, waren einige Spieler zurecht schockiert. Diese Größe kommt allerdings nicht von ungefähr. Nicht nur ist die Welt von Red Dead Redemption 2 die bisher größte von Rockstar Games dargestellte, auch ist diese riesige Welt voll von Dingen, die entdeckt werden wollen.

So habt ihr in Städten die Möglichkeit euch in Geschäften mit einer Vielzahl von Waffen und Kleidungsstücken auszustatten. Bei der Individualisierung eures Revolverhelden habt ihr also viele Möglichkeiten. Auch könnt ihr schiere Unmengen an anderen Gegenständen in den Geschäften erwerben. Seien es Nahrungsmittel, Pferdepflege oder Köder für die Jagd und das Angeln. Auch euer Pferd kann individualisiert werden, indem ihr verschiedene Sättel, Zaumzeug, etc. kaufen könnt.

Doch nicht nur in Punkto Individualisierung und Missionen hat das Westernabenteuer einiges zu bieten. Red Dead Redemption 2 als wunderschön zu bezeichnen wäre untertrieben. Ich weiß nicht, ob ich jemals ein schöneres Videospiel gesehen habe. Der Detailgrad, mit dem sowohl die Figuren, als auch die Umgebungen dargestellt werden, ist phänomenal. Doch auch abseits der reinen Grafik wurde an Details nicht gegeizt. So wachsen Arthurs Haare im Verlauf des Spiels und ihr habt die Möglichkeit sowohl die Haarfrisur als auch den Bart zu trimmen, rasieren und in verschiedene Stile zu bringen. Ein Arthur mit Undercut und Backenbart? Kein Problem. Ein Arthur, der aussieht wie ein Mann aus den Bergen mit Vollbart und langen Haaren? Klar, ist gebongt.

Wie schon Red Dead Redemption macht auch das Prequel auditiv eine mehr als gute Figur. Obwohl Rockstar Games sich dazu entschieden hat, keine bekannten Schauspieler mehr als Synchronsprecher zu verpflichten, macht die ausschließlich englische Sprachausgabe einen sehr positiven Eindruck. Die musikalische Untermalung trägt wie schon im Vorgänger perfekt zu Westernatmosphäre bei und sorgt dafür, dass ihr in die Welt von Red Dead Redemption 2 hineingesaugt werdet.

„Nützliche Features“ und Arbeitszeit

Auch andernorts versucht Red Dead Redemption 2 mit Details zu protzen, die jedoch ehrlichgesagt niemand braucht. So wurde vor Release groß angekündigt, dass die Hoden aller Pferde realistisch wackeln und abhängig vom Wetter und der Temperatur schrumpfen oder wachsen, wie echte Hoden eben. Das Problem an der Sache ist jedoch, dass man das Ganze quasi nie sieht. Da die Kamera normalerweise hinter eurem Pferd ist, und ein Pferd normalerweise einen Schweif hat, sind die Kronjuwelen eures Reittieres quasi konstant bedeckt, sodass man von diesem tollen Effekt, dessen Entwicklung sicher viel Arbeitszeit gekostet hat, zumeist nicht mitbekommt.

Ein anderes tolles Feature ist die „Cinematic Camera.“ Haltet ihr das Touchpad eures Controllers gedrückt, schaltet das Spiel in einen Kameramodus um, der das Ganze kinoartiger machen soll. Die Kamera zoomt heraus und stellt das Geschehen umrandet von schwarzen Kinobalken eben cinematischer dar. Das große Problem daran ist jedoch, dass es unfassbar schwer ist, die Kontrolle zu behalten, wenn die Kamera in eigenartigen Winkeln ausgerichtet ist und zwischendurch von selbst den Winkel verändert. Nicht nur ein paar Mal bin ich dadurch in vollem Galopp gegen einen Baum oder Stein geritten und dadurch vom Pferd gefallen.

In Anbetracht der massiven Vorwürfe bezüglich Überstunden und Crunch-Time, die gegenüber Entwickler Rockstar Games im Vorfeld des Release aufgekommen sind, ist es fragwürdig, ob das Spiel einige dieser Features wirklich nötig gehabt hat.

Fazit – Red Dead Redemption 2

Über Red Dead Redemption 2 kann man einiges sagen. Es ist unfassbar schön. Die dichte Atmosphäre, die musikalische Untermalung und die vielfältigen Nebenmissionen und -tätigeiten erzeugen eine unvergleichliche Immersion.

Was das Spiel jedoch weite Strecken über nicht tut, ist eine spannende Geschichte zu erzählen. Wie gesagt, Red Dead Redemption 2 hat eine durchaus sehr interessante und spannende Geschichte, jedoch dauert es, durch das gewollt langsame Pacing am Anfang, eine gefühlte Ewigkeit, bis diese richtig in Fahrt kommt. Diese stilistische Entscheidung, welche durchaus dazu beiträgt, sich besser mit Protagonist Arthur Morgan zu identifizieren, könnte allerdings einigen Spielern sauer aufstoßen. Mich persönlich hat der ungewohnt ruhige Einstieg jedenfalls nicht gestört, sondern ich habe ihn eher als willkommene Abwechslung wahrgenommen.

Auch groß angepriesene, jedoch vollkommen nutzlose Features wie das realistische Verhalten der Pferdehoden hinterlassen in Anbetracht der schweren Überstundenvorwürfe, einen sauren Nachgeschmack.

Abschließend lässt sich sagen, dass Red Dead Redemption 2 definitiv ein sehr gutes Spiel ist, das jedoch auf Grund des anfänglich langsamen Pacings sicher nicht jedem gefallen wird.

Bildquelle(n): Take 2/Rockstar Games

Getestet auf PS4 Pro