Die Mischung aus süßen Charakteren und düsterer Story geht auch in Made in Abyss wieder voll auf. Die Serie aber einfach mit ähnlichen Genre-Mix Vertretern a la „Higurashi“ in einen Topf zu werfen, würde der Geschichte von Akihito Tsukushi jedoch aus vielerlei Gründen unrecht tun. In meinem Review versuche ich euch zu erklären, warum Made in Abyss mit zu den besten Anime der letzten Jahre zählt.
In den Tiefen des Abgrunds
In Made in Abyss ist nichts so, wie es auf den ersten Blick scheint. Das auf den ersten Blick niedliche Abenteuer der beiden Kinder Riko und Nat verwandelt sich schnell zu einem lebenden Albtraum. Denn kaum sind die ersten Ressourcen bei der gemeinsamen Schatzsuche eingesammelt, werden die beiden auch schon von einem tödlichen Monster attackiert, das nur durch das Erscheinen des mysteriösen Roboters Reg bezwungen werden kann. Als die kleine Riko für ihr Versagen dann noch zur Strafe gefesselt und nackt zur Schau gestellt wird, ist klar, dass es sich bei Made in Abyss garantiert nicht um eine Kinderserie handelt.
Das eigentliche Setting wird von Minute zu Minute klarer und gleichzeitig verliert die Serie immer mehr ihrer ursprünglich vermuteten Unschuld. Ausgangspunkt der Geschichte ist die Stadt Ôzu, welche am Rande eines gigantischen Abgrunds, dem Abyss liegt.
Bewohnt von Monstern birgt der Abyss zahlreiche Ressourcen und alte, wertvolle Relikte, weshalb die Bewohner der Stadt in waghalsigen Expeditionen damit begannen, den Abyss zu erkunden. Zusätzlich zu den blutrünstigen Bestien, gibt es jedoch noch einen weiteren, entscheidenden Faktor, der den Abyss zu einem eher unglücklichen Expeditionsziel macht: Man kommt nicht ohne weiteres wieder heraus. Denn sobald man sich im Abyss entgegen der Schwerkraft bewegt - ergo versucht wieder herauszuklettern - ist dies mit unmenschlichen Schmerzen verbunden. Kinder wie Riko dürfen daher nur in der ersten Ebene des Abyss nach Schätzen graben.
Ein hoffnungsvoller Brief
Die Bewohner der Stadt scheinen sich mit diesem Alltag bereits abgefunden zu haben, selbst, dass hier Kinderarbeit an der Tagesordnung steht, scheint von niemanden hinterfragt zu werden. Fest steht nur, dass tiefere Ebenen des Abyss für unausgebildete tabu sind, da es ab einer gewissen Tiefe überhaupt nicht mehr möglich ist, den Abyss zu verlassen ohne zu sterben, oder selbst zu einer Art Monster zu mutieren. Für Riko und den inzwischen zum Freund gewordenen Reg ändert sich all dies jedoch, als Riko einen Brief ihrer für tot geglaubten Mutter erhält. So soll diese nicht nur gesund und munter sein, sondern sich zusätzlich auf dem Grund des Abyss aufhalten. Entgegen aller Warnungen und Verbote begeben sich Riko und Reg in den Abyss, von dem Wunsch geführt Rikos Mutter zu finden und den tödlichen Gefahren des Abyss zu trotzen.
Spätestens jetzt zeigt Made in Abyss wie schonungslos die Welt ist, in der sich Riko und Reg befinden. Bereits die ersten Zusammentreffen mit Monstern sind visuell äußerst brutal umgesetzt. Die FSK hat hier völlig zurecht mit einer Bewertung ab 16 Jahren beurteilt. Gleichzeitig vermittelt der Anime eine unbestreitbare Schönheit, die zum einen durch die Freundschaft und den Zusammenhalt der beiden Protagonisten entsteht, zum anderen aber durch die Ideenvielfalt und die unendliche Kreativität, die Made in Abyss bietet. So unterscheidet sich jede Ebene des Abyss visuell so stark voneinander, dass man stellenweise nicht glauben kann, immer noch dieselbe Serie zu verfolgen.
Die Schönheit der Komplexität
Alle Charaktere sind vielschichtig, von einer Agenda geleitet und niemals einfach nur gut oder böse. Oftmals entstehen innerhalb einer Episode zahlreiche unvorhergesehene Twists, die Riko und Reg das Leben sowohl erleichtern, als auch erschweren. Dabei ist Made in Abyss aber stets gemächlich und lässt seinen handelnden Figuren genug Zeit sich nachvollziehbar zu entwickeln. Made in Abyss präsentiert dem Zuschauer emotionale Momente, die regelrecht zu Tränen rühren, gleichzeitig aber völlig aus dem Nichts kommen. Das Writing ist hier auf einem ganz anderen Niveau, als man es gewohnt ist.
Auch fasziniert es, wie natürlich in Made in Abyss mit den verschiedensten Dingen umgegangen wird. Wenn Riko und Reg sich schämen, gemeinsam im See zu baden um sich zu waschen, weil Riko dann ja Regs bestes Stück sehen könne, wird dem Zuschauer schlagartig wieder klar, dass man hier eigentlich unschuldige Kinder auf dieser lebensgefährlichen und blutrünstigen Reise begleitet. Diese Kontraste lassen Made in Abyss niemals berechenbar erscheinen. Der Langeweile wird keine Chance gegeben hier aufzukommen. Viel zu sehr wird man vom unvorhergesehenen, von neuen Charakteren, oder der parallel vorherrschenden Schönheit und Bedrohlichkeit des Abyss in seinen Bann gezogen.
Made in Abyss Vol. 1 - Mein Fazit
Made in Abyss ist für mich nicht weniger als ein kleines Meisterwerk. Das dürfte jeder, der tatsächlich bis hierhin gelesen hat nachvollziehen können. Wenn ihr euch mit meinen Argumenten und den von mir beschriebenen Geschehnissen anfreunden könnt, erwartet euch ein wundervoller und einzigartiger Anime, der es ganz ohne den übertriebenen Epos und den Pomp der zuletzt so erfolgreichen Mainstream-Anime Produktionen schafft zu fesseln und zu faszinieren.
Bildmaterial: ©2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS