Travis Strikes Again: No More Heroes – M.O.E.?
Lange war es still um Travis Touchdown, denn seinen letzten Auftritt feierte er 2010 in "No More Heroes 2". Doch dann, völlig unverhofft, erschien ein Trailer zu einem neuen Titel namens Travis Strikes Again: No More Heroes im August 2017. Jetzt ist der berühmte Auftragskiller aus Santa Destroy zurück. Ob der freche Kerl wieder zu alter Stärke gefunden hat? Schauen wir uns das an.
Strawberry Shortcake
Neun Jahre lang nun liegt das letzte wahre „No More Heroes“ zurück. In zwei Teilen der Spieleserie wurde der Werdegang von Travis Touchdown auf der Wii erzählt. Der hitzköpfige Assassine hat sich zweimal auf die Spitze der Kopfgeld-Rankings gekämpft und erlangte somit Prestige-Status in der Szene. Doch dann hat sich Travis in seinen Wohnwagen in mitten eines namenlosen Waldes zurückgezogen, um dem gefährlichen Sport zu entziehen und einfach nur tagein, tagaus zu zocken. Keine blutrünstigen Kämpfe für Ruhm und Geld mehr.
Eines Tages jedoch taucht urplötzlich ein Typ namens Badman auf, der Vater eines Mädchens, welche von Travis bei den Ranglistenspielen getötet wurde. Ausgestattet mit einem sogenannten Deathball, den Badman in der Intro-Sequenz von Dan Smith aus „killer7“ erhält, schwört Badman Rache. Er findet Travis und die beiden liefern sich ein kurzes, jedoch hitziges Duell. Doch plötzlich werden beide Kämpfer in die Phantomkonsole Death Drive Mk II, die Travis als wahrer Gamer natürlich besitzt, gesogen. Stellt sich heraus, dass Badmans Deathball ein dazugehöriges Videospiel ist, in dem er und Travis sich nun befinden.
Natürlich besagt zudem eine Legende: wer es schafft alle sechs existierenden Deathballs in den Besitz zu bringen und alle Spiele durchzuspielen, dem wird ein Wunsch erfüllt. Ganz á la Dragon Ball klingt die Geschichte so absurd wie vielversprechend, aber auch völlig abseits von dem, was man bei einem „No More Heroes“-Titel erwarten würde. Keine Ranglistenkämpfe, kein Streben nach Anerkennung und Reichtum. Auch das Gameplay hat einige Veränderungen abbekommen.
You die in the game, you die in real life!
Das Kämpfen in Travis Strikes Back wurde nämlich vergleichsweise vereinfacht. Das Spiel setzt auf den Hack-and-Slash-Stil, den ihr alleine oder im Coop bestreiten könnt. Ihr habt leichte Angriffe, mit denen ihr kleine Mobs schnell ummetzeln könnt und starke Angriffe für große Gegner, um deren Panzerung zu durchbrechen. Andere Optionen sind Springen und Rollen, um größere Gegnermengen auszuweichen. Sprungangriffe und Seitenhiebe aus der Rolle heraus sind ebenfalls direkt möglich.
Zusätzlich bekommt ihr einen sehr starken Ladeangriff. Habt ihr genügend ‚Bugs‘ vernichtet, lädt sich eure Angriffsleiste auf. Ist diese voll, könnt ihr mit mehrerem Hämmern auf der R-Taste massiven Schaden anrichten. Danach erhöht sich euer Spannungslevel, der euren nächsten Ladeangriff noch gewaltiger machen kann. Nur aufgepasst: kassiert ihr einen harten Treffer, sinkt die Spannung wieder. Ebenfalls neu sind Skill-Chips, die ihr im Laufe des Spieles findet. Sie beherbergen Fähigkeiten, mit denen ihr euch selbst heilt, böse Buben durch die Luft wirbelt oder ihen einen deftigen Stromstoß verpasst. Travis und Badman können je vier Skills gleichzeitig individuell angelegt haben. Auch einen Pool an Erfahrungspunkten teilen sich die Charaktere. Habt ihr genügend EP durch Kämpfe gesammelt, levelt ihr Travis oder Badman auf und erhöht so deren Power und Ausdauer.
Klingt alles soweit ganz nett, aber die Tiefe der alten Spiele hat das Kampfsystem ganz und gar nicht. Feinde einzeln ins Visier nehmen, mit hohen und tiefen Attacken alternieren und ihnen einen Finisher verpassen. Oder sie mit harten Kicks ins Taumeln bringen und mit einem saftigen Wrestling-Move ausschalten. Die Würze beim Kämpfen fehlt. Vielmehr seid ihr hier darauf fokussiert, euch mit Scharen von kleinen und großen Gegnern auseinander zu setzen. Dabei häckselt ihr mit eurer Hiebwaffe meistens nur stupide rum.
Am Ende jedes Deathball-Spieles erwartet euch ein Endgegner, und wie es sich für Suda 51 gehört, sieht ein Boss verrückter aus als der andere. Jeder der Obermacker bringt sein eigenes Set an Attacken und Dialogen mit, das gibt dem letzten Kampf jedes Levels einen gewissen Charme. Nur hätte man hier mehr Potenzial aus einigen Bossen in puncto Strategie rausholen können. Ausweichen und Draufhauen ist zu meist der effektivste Weg.
Gemächlich auf Achse
Was gibt’s noch? Ihr habt den Wohnwagen, der praktisch wie eine kleine Hub-World funktioniert. Über das ‚Internet‘ könnt ihr mit eurem hart verdienten Geld oder gesammelten Marken T-Shirts kaufen, andere Mode-Optionen existieren jedoch nicht so wie in den alten Teilen. Sonst könnt ihr mit euren Verdiensten nichts anfangen, denn es gibt diesmal keine Trainings-Center oder Upgrade-Stationen, an denen ihr euch und euer Equipment verbessern könnt. Entsprechend gibt es auch keine Job-Minigames.
Zwischen den einzelnen Deathball-Games müsst ihr zwangsweise auf das Bike hüpfen, das euch in den wahrscheinlich langweiligsten Part von Travis Strikes Again bringt: das Textblock-Adventure. Anfangs habt ihr ja bloß den einen Deathball von Badman bekommen, jetzt müssen noch die anderen fünf her. Obwohl das Wort ‚Abenteuer‘ drinsteckt, bekommt ihr Visual Novel-Sequenzen in monochrom-grünen Pixel-Stil. Kein spielbarer Teil, bei dem ihr euch mit Blut und Schweiß die übrigen Todesbälle erarbeitet. Nur reine Dialoge und 8-Bit Sounds.
Fans von Suda51-Spielen können aber gerade dann typische Markenzeichen erkennen: der Humor ist teilweise extremst flach, das Spiel nimmt sich zu keiner Zeit selbst ernst und strömt Fanservice en masse. Wenn euch Killer7 im Intro noch nicht gereicht hat, werdet ihr im Laufe des Spieles noch reichlich bedient. Auch kleine Gimmicks gibt es an jeder Ecke. Im Archiv könnt ihr euch Flyer zu allen Deathball-Games anschauen, die im 90er-Jahre-Stil angefertigt sind. Komplett mit Tipps und Tricks zu Bossgegner sowie Cheatcodes und allem. Zuletzt, auch wieder da, sind Toiletten als Speicherpunkte. Ein Ort der Ruhe, um die Anspannung einmal kurz ins Porzellan sacken zu lassen.
Immerhin enthalten einige Kopien von Travis Strikes Again einen Season Pass zu kommenden DLC. Am 28. Februar könnt ihr das Spiel um die Kämpferin Shinobu Jacobs, am 30. April dann um die totgeglaubte Bad Girl erweitern. Jedes der DLC bringt ebenso ein Set an Skills sowie einen spielbaren Teil für Badman und Travis mit.
Travis Strikes Again: No More Heroes – Fazit
Das Gameplay fällt relativ stumpf aus. Der Hack-and-Slash-Stil nimmt den sonst in „No More Heroes“-üblichen Kämpfen die Tiefe raus und verwandelt den Titel in ein eher stupides Draufhau-Spiel. Wenn ihr beim Kämpfen nicht viel nachdenken, sondern einfach nur machen wollt, ist es für zwischendurch zu empfehlen. Fans der „No More Heroes“-Reihe und anderer Suda51-Spiele werden zudem mit massig typischen Merkmalen belohnt. Wer damit jedoch nichts anfangen kann, sitzt häufig mit einem großen Fragezeichen vor dem Bildschirm und wird nicht verstehen, was es mit dem Unfug auf sich hat.
Wichtig zu erwähnen bleibt nur noch, dass Travis Strikes Again: No More Heroes nicht "No More Heroes 3" ist, sondern ein Spinoff, welches Bock auf einen möglicherweise noch kommenden dritten Teil der Spielserie machen soll.
Travis Strikes Again: No More Heroes ist seit dem 18.01.2019 exklusiv für die Nintendo Switch erhältlich. Auf so einer wurde natürlich auch getestet.
Bildmaterial: ©Grasshopper Manufacture