Hitman 2 – Bereit zum „Binge Killing“
Agent 47 ist wieder im Einsatz. Diesmal lässt er sich aber keine Pausen zwischen seinen Attentaten, sondern mordet in Hitman 2 sechsmal am Stück. Die Zwei im Namen ist dabei eigentlich in doppelter Hinsicht fehl am Platz, aber das ist überhaupt nicht schlimm. Denn IO Interactive beweist erneut, dass es seine Instrumente gut zu spielen weiß, auch wenn das dabei entstehende Musikstück kaum anders klingt als sein Vorgänger.
Verwirrende Zählweise
Früher war das mit der Nummerierung von Videospielen einfach. Ein zweiter Teil hatte eine Zwei im Namen, ein dritter Teil eine Drei und so weiter. Vielleicht gab es noch einen Untertitel, manchmal verzichtete der Hersteller auch gänzlich auf eine Ziffer. Trotzdem blieb das alles recht überschaubar. Heute ist das anders: Da erscheint im Jahr 2016 ein Spiel mit dem simplen Titel Hitman – ist schließlich ein Reboot der 2000 gestarteten Reihe, da reicht das aus. Die logische Konsequenz in den Augen von Entwickler IO Interactive für den Nachfolger: Die Dänen nennen ihn Hitman 2. Doch dieses Hitman 2 ist eigentlich schon Hitman 7, spielt dann aber wiederum wie sein Vorgänger vor allen anderen Teilen. Wie soll man denn da als Konsument noch mitkommen?
Die geschichtliche Reihenfolge der Spiele wäre aber eh nur dann wichtig, wenn deren Handlung wirklich von Belang und einen wichtigen Teil der Faszination ausmachen würde. Hitman-Kenner wissen allerdings: In Sachen Story war die Serie noch nie ein Glanzlicht. Das hat sich mit Hitman 2 nicht geändert. Daher ist es auch kein Problem, wenn ihr den Vorgänger nicht gespielt habt und von der Handlung deshalb nur Bahnhof versteht. Klar, die Grundlagen bekommt man auch so mit: Agent 47 und Diana Burnwood arbeiten für die Geheimorganisation Providence und sollen den Schattenklienten sowie im gleichen Zuge seine gesamte Miliz ausschalten. Kurz gesagt: Ihr bringt im Auftrag zwielichtiger Leute andere zwielichtige Leute um die Ecke.
Wer alles verstehen möchte, sollte den Reboot von 2016 gespielt haben. Hitman 2 knüpft nahtlos an dessen Handlung an. Da passt es wunderbar, dass ihr die direkt im neuen Ableger nachholen könnt, dem „Legacy Pack“ sei Dank. Das enthält alle Levels und Missionen des Vorgängers, die um die spielerischen Neuerungen von Hitman 2 erweitert wurden. Wer alle Episoden von Hitman (2016) besitzt, kriegt den DLC gratis – feine Sache! Spielt ihr die komplette Geschichte am Stück durch, werdet ihr aber feststellen, dass IO Interactive für Hitman 2 scheinbar nicht das Budget hatte, das für den Vorgänger (der noch unter Aufsicht von Square Enix entstanden ist) zur Verfügung stand. Keine Angst, in den Levels macht sich das nicht bemerkbar, wohl aber in den Zwischensequenzen. Präsentiert sich die Story des vorherigen Teils noch in schicken Rendervideos, gibt es diesmal nur mehr oder weniger Standbilder. Sexy geht anders.
Eine mörderische Weltreise
In Sachen Storytelling gewinnt Hitman 2 also keinen Blumenstrauß. Dafür hat IO Interactive beim Gameplay wieder mal (fast) alles richtig gemacht. Das Spiel bleibt der Linie seines Vorgängers treu und wirft euch in sechs große Killer-Sandkästen, in denen ihr bestimmten Zielpersonen das Licht ausknipsen sollt. Abwechslung wird dabei großgeschrieben: Angefangen bei einer Rennstrecke in Miami, über einen Ausflug in den kolumbianischen Regenwald, bis hin zu den Slums von Mumbai bietet Hitman 2 viel optische sowie spielerische Varianz.
Wie sich das für die Serie gehört, bleibt die Wahl der Tötungsmethode stets euch überlassen. Und meine Güte, bieten die Levels viele Optionen! Schon der Vorläufer wusste diesbezüglich zu begeistern, Hitman 2 setzt nochmal einen drauf. Es gibt mehr Waffen, mehr Gadgets, mehr Kostüme, einfach mehr von allem. Der Humor kommt dabei nicht zu kurz. Eine Wache mit einem Fisch ins Reich der Träume zu schicken (als Profikiller bringt man natürlich nur die Leute um, die auf der Abschussliste stehen), hat schon das gewisse Etwas.
Die Areale sind darüber hinaus clever designt. Hitman 2 schafft es, euch auf die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten auch dann gut aufmerksam zu machen, wenn ihr alle Hilfen deaktiviert habt. Ihr müsst eben nur Geduld an den Tag legen und aufmerksam die Umgebung erkunden oder den Gesprächen von Charakteren lauschen. Während eines Auftrags werdet ihr so auf etliche potenzielle Wege stoßen, eure Ziele zu erfüllen. Und jeder davon ist kreativ und spaßig, so dass ihr ständig in der Situation seid, euch gar nicht entscheiden zu können, welche coole Methode ihr nun anwenden wollt. Das motiviert dazu, die Missionen mehrfach zu spielen.
Gut so, denn wer durch die Story hetzt, sieht nach spätestens acht Stunden den Abspann. Wollt ihr aber sämtliche Herausforderungen abschließen, alle Items sowie Zugangspunkte und Waffenverstecke für die Levels freischalten, wird euch Hitman 2 deutlich länger beschäftigen, zumal es neben den eigentlichen Hauptmissionen auch wieder Nebenaufträge gibt (darunter die zeitliche begrenzt verfügbaren „Elusive Targets“). Und da der Editor aus dem Vorgänger nicht fehlt, ist sowieso für endlosen Nachschub an Aufgaben gesorgt.
Schuster, bleib bei deinen Leisten!
Fans werden nun sagen: „Das ist ja im Vorgänger alles genauso. Gibt's denn nix Neues?“ Oh doch, gibt es, aber eher im Detail. Die weitläufigen Missionsgebiete sind nun mit viel mehr NPCs vollgestopft. Die sind nicht nur optische Staffage, um die Orte noch lebendiger wirken zu lassen (oder potenzielle Mordopfer), sondern dienen Agent 47 auch als Tarnung. Genau wie seine Attentäterkollegen Altaïr oder Ezio aus alten „Assassin's Creed“-Tagen kann der wortkarge Anzugliebhaber in den Menschenmassen untertauchen, um nicht aufzufallen. Außerdem sehen euch Wachen neuerdings in Spiegeln und der Aktenkoffer ist zurück, um größere Waffen unbemerkt bei euch tragen zu können. Ansonsten bleibt spielerisch alles beim Alten.
Das mag ein bisschen wenig für einen vollwertigen Nachfolger sein und das ist es auch. Hitman 2 wirkt eher wie eine zweite Staffel des Vorgängers, nur eben ohne Episodenaufteilung. IO Interactive umgeht so das Risiko, mit irgendwelchen Experimenten die Grundrezeptur zu verschlechtern. Das, was die Hitman-Reihe seit jeher auszeichnet, funktioniert im jüngsten Ableger tadellos, vielleicht sogar besser denn je. Nur an den bekannten Schwachpunkten, der KI und dem Gunplay, hätten die Entwickler ruhig mehr feilen können. Die Wachen zeugen nicht gerade von Intelligenz und wenn es mal heiß hergeht, weil ihr euch doof angestellt habt und enttarnt wurdet, macht es aufgrund der kaum griffigen Shooter-Steuerung nicht wirklich Spaß, alle Gegner über den Haufen zu schießen.
Eine größere Neuerung gibt es aber doch: den "Ghost"-Modus. Hierbei handelt es sich um eine Premiere in der Hitman-Historie, denn einen kompetitiven Multiplayer-Modus gab es zuvor nicht. Zwei Spieler treten gegeneinander an und müssen stets die gleichen Zielpersonen umbringen. Dabei zählt nicht nur Schnelligkeit, sondern natürlich wird auch sauberes, unbemerktes Vorgehen belohnt. Der Clou: Jeder Spieler ist in seiner eigenen Instanz des Levels, euren Gegenspieler seht ihr, passend zum Namen des Modus, als Ghost.
So cool die Idee klingt, so unbefriedigend ist sie leider umgesetzt. Denn zum einen liegen die Items nicht wie im Singleplayer normal in der Spielwelt herum, sondern sind in Kisten versteckt. Das Problem: Alle sehen gleich aus. Ihr könnt aus der Distanz nicht erkennen, was für Gegenstände enthalten sind. Während ihr im Einzelspielermodus immer wisst, dass ihr ein Küchenmesser in der Küche findet, müsst ihr im "Ghost"-Modus das Glück haben, in einer Kiste das Item zu finden, das ihr haben wollt. Zudem sind die Zielpersonen keine NPCs, die auch im Solomodus durch die Levels laufen, sondern extra für den Multiplayer kreiert. Sie folgen allerdings keinen ausgefeilten Verhaltensmustern, sondern laufen im Grunde bloß im Kreis. Das schränkt die Mordmöglichkeiten stark ein, dabei ist doch genau diese spielerische Freiheit der Hauptanreiz von Hitman 2. Für uns ist der "Ghost"-Modus also nicht mehr als ein nettes Gimmick, bei dem sich IO mehr Gedanken hätte machen müssen.
Technische Trippelschritte
Grafisch bewegt sich Hitman 2 mehr oder weniger auf dem Niveau seines Vorgängers. Die großen Menschenmassen sind beeindruckend. Dazu kommen ganz ordentliche Licht- und Schatteneffekte, die Lichtstimmung wirkt allgemein sehr natürlich. Dafür ist nicht jede Textur knackig scharf und die Charaktermodelle hätten auch einige Polygone mehr vertragen können. Das Gesamtbild ist aber äußerst stimmig, was vor allem an den ldetailreich gestalteten Umgebungen liegt.
Akustisch macht Hitman 2 eine runde Figur. Die Sprecher machen ihre Sache gut, wenn auch nicht überragend, eine deutsche Vertonung gibt es aber leider nicht. Die Musik unterstreicht gekonnt spannende Momente und wird nie zu aufdringlich, um die Umgebungsgeräusche nicht zu unterdrücken, die zur Glaubwürdigkeit der Spielwelten beitragen.
Fazit – Hitman 2
Mit dem Reboot hat IO Interactive es geschafft, die Hitman-Reihe nach dem durchaus gelungenen, aber doch zu sehr auf Massenmarktkompatibilität ausgerichteten Absolution auf ein neues Niveau in Sachen Sandbox-Gameplay zu hieven. Hitman 2 knüpft nahtlos daran an und bietet die gleiche Grundrezeptur, nur mit etwas mehr Puderzucker obendrauf. Die Möglichkeiten, wie ihr die Missionen meistern könnt, sind überwältigend. Das Spiel regt euch an, kreativ zu denken. Zeitgleich gelingt es ihm, euch dazu zu motivieren, die Levels mehrfach zu besuchen, bis in den hintersten Winkel zu erkunden und dieselbe Zielperson immer wieder auf andere Art ins Reich der Toten zu schicken, ohne dass Langeweile aufkommt.
Ja, Hitman 2 macht wenig neu. Es ruht sich zu sehr auf dem Erfolgsrezept aus, als dass es wirklich als vollwertiger Nachfolger durchgehen könnte. Das ist schade, aber irgendwie auch nicht schlimm. Denn wer den Vorgänger rauf und runter gespielt hat, bekommt einfach mehr vom gleichen Guten und wird erneut für viele Stunden ausgezeichnet unterhalten. Für Hitman 8, Pardon, 3 sollte sich IO Interactive dann aber doch etwas mehr einfallen lassen.
Hitman 2 ist seit dem 13. November für PC, PS4 und Xbox One erhältlich (getestet auf PC).
Bildquelle(n): Warner Bros. Interactive Entertainment